RAOP, ein Panda und der unbändige Wille Konzerte zu smartphonen
Cro spielt ausverkauftes Konzert in Erfurt
04.11.2012[db] Du merkst, dass du kein Teil der Jugendkultur mehr bist, wenn deine Frage „Was ist ein Cro?“ mit „Google ist dein Freund.“ beantwortet wird. Du googlest. Und findest einen Pandabären. Einen jungen Kerl hinter einer Pandamaske. Nicht sonderlich innovativ, kennen wir das Konzept doch bereits von Sido. Aber Cro ist harmloser, frischer und offenbar nah am Puls der Zeit. Anders kann ich mir den Hype um den Typen mit der Maske nicht erklären. Der Pandawahn greift um sich. Selbst in meinem Bekanntenkreis ist Cro keine Unbekannte mehr, Songs werden zitiert und mit en Worten honoriert: “Das klingt doch nicht schlecht. Einiges mag ich.“. Herrje, wir sind alt. Zeit, sich den Rapper mal genauer anzusehen. Am besten live. In der Thüringenhalle Erfurt. An einem Sonntag im November.
„Ich bin unvorbereitet!“ – das ist der erste Gedanke, den ich habe, als wir an der Thüringenhalle ankommen. Es ist kurz nach 18 Uhr und der Einlass hat soeben begonnen. Die Schlangen der Wartenden führen links und rechts der beiden Eingänge ins Unendliche, so scheint es. Da bewegt sich nichts nach vorne. Aber die Zahl der Wartenden nimmt stetig zu. Auf der Treppe vom Parkplatz zur Thüringenhalle hin liegt eine halb ausgepackte Bemme in Alufolie. Einige scheinen schon sehr früh vor Ort gewesen zu sein. Beim Anblick der Massen vor der Venue, verwundert das nicht. Wer sich heute Zeit lässt, läuft Gefahr den Support Act zu verpassen. Oder nichts mehr am Merchstand zu ergattern. Ich sehe an mir runter, während wir einen matschigen Hügel hochklettern, um etwas früher an der Akkreditierung anstehen zu können, und bemerke, ich hab weder eine Pandamaske, eine Pandamütze noch ein Cro-T-Shirt an. Ich bin unvorbereitet!
Als wir den Einlass nach einer gefühlten Ewigkeit endlich passiert haben und die Höhle des Löwen betreten, wird mir das Ausmaß des heutigen Abends erst richtig bewusst. Wir sind hier unter Teenies, unter 8-14jährigen in Begleitung der Eltern, unter Hipstern und solchen, die es einmal waren oder noch werden möchten. Wir sind im Land von Cro. Und dort geht es vor allem Schwarz und Weiß zu. Fan-Shirts soweit das Auge reicht. Mützen und Masken. Und eine stetig wachsende Traube zahlungswilliger Konzertbesucher, die dem Verkäufer am Merchstand heute zu qualmenden Sohlen verhelfen. Da sich der Einlass in die Länge zieht, verschiebt sich der Spaß um eine halbe Stunde nach hinten. Die Securities müssen neben Tickets und Taschen an diesem Abend auch Ausweise kontrollieren. Als SAM, die Bühne betritt, werden vor der Thüringenhalle noch Besucher kontrolliert und eingelassen. Gegen 19.30Uhr legt das Duo Sam und Chelo die Basis für einen Abend jungen, frischen und – für mich erstaunlich – melodischen deutschen Hip Hop.
4.500 Menschen drängeln sich in der Venue. 4.500 Pandaliebhaber (und ich dachte bis vor kurzem noch Pandas seien nur putzige Bären und klapprige Autos), die beim zweiten Intro des Abends am Rand der Ekstase kreischen und kollektiv die Smartphones in die Höhe halten, um nicht zu verpassen auch jeden Augenblick Cro zu filmen. Und das trotz riesigem Hinweisschild vor der Halle, das das Fotografieren und Filmen an diesem Abend nicht gestattet ist. Es hält sich niemand daran. Und ich denke traurig an Zeiten zurück, als man auf Konzerten noch Feuerzeuge und Wunderkerzen entzündete und nicht die Taschenlampen-App auf dem Smartphone startete. Das ist mir alles zu technisch. Nennt mich alt. Nennt mich retro. Aber blöde, blinkende Smartphones ersetzen niemals das Flair, das Feuerzeuge und Kerzen verbreiten. Niemals! Und was soll eigentlich diese Unart, von Beginn an auf Konzerten das Handy in die Höhe zu halten, um alles zu filmen? Stehen da Konzertbesucher/ Fans oder hält sich jeder für einen verkappten Kameramann? Man bekommt doch vom Konzert an sich gar nichts mit, wenn man zwei Stunden lang auf sein Handydisplay starrt. Am Ende hat man einen steifen Hals, sauschlechte Aufnahmen, verwackelte Bilder und grenzwertigen Ton, bei dem man nicht weiß, ob es Cro oder Helene Fischer war, den man da gefilmt hat. Lehnt euch zurück, genießt das Konzert, für das ihr Eintritt bezahlt habt. Für die Bilder gibt es die professionellen Fotografen vor Ort. Die nehmen euch die Arbeit ab. Glaubt mir. Ich mach das ständig. „Erlebt“ Cro, seine Songs und seine Show. Deshalb seid ihr da. Deshalb habt ihr ein Ticket gekauft. Die Lichtshow war grandios. Der Sound für die Thüringenhalle wirklich akzeptabel. Alles in allem ein Konzert, dass sich sehen lassen konnte.
Cro zu fotografieren war für die Konzertfotografen an diesem Abend aber auch ein Abenteuer. Der Fotograben war gesperrt. Fotografiert werden durfte nur vom FOH aus. Und der ist ja bekanntermaßen ein Stück weit weg von der Bühne. Die Angst, dass irgendeiner den Rapper namens Carlo ohne die berühmte Maske ablichten könnte, war offenbar zu groß. Obwohl das reichlich sinnlos war am Ende des Abends, schließlich geistern „Oben ohne“-Fotos des Künstlers durchs Netz. Und das Kerlchen muss sich optisch nun wirklich nicht verstecken. Der junge Mann aus der Schwäbischen Alb wir uns noch eine Weile begeistern. Sein Mix aus Rap und Pop – kurz: RAOP – kommt an, macht Spaß und lässt sogar mich als Ü30jährige mitwippen und grinsen. Hat Spaß gemacht. Das nächste Mal, liebe Teenies, Twens und Hipsters, lasst ihr aber eure verdammten Handys unten oder Mama muss laut werden. Danke.